oder
wie ich dazu kam, mich der Trauer zu widmen
Ich war ein sehr feinfühliges und sensibles Kind, nun bin ich eine feinfühlige und hochsensitive Erwachsene.
Diese Sensibilität hat es mir immer schon ermöglicht, mich tief auf andere einzulassen, zu merken, was sie fühlen, denken, spüren.
Nur – als Kind habe ich oft erfahren, dass das nicht erwünscht ist.
Mit Tieren ging es mir ähnlich, ich konnte spüren, wenn es ihnen nicht gut ging, wenn sie unruhig waren oder Hunger hatten.
Mit den Tieren konnte ich immer so sein, wie ich war. Da musste ich keine Rolle spielen, keine Masken tragen.
Sie waren für mich schon als Kind Anker, Freunde in guten und in üblen Tagen und tief Vertraute. Mit ihnen habe ich gemerkt, dass es auch Liebe und Freude gibt.
So habe ich sehr viel Zeit mit Tieren verbracht, immer wenn es irgendwie ging. Kaninchen haben mit begleitet, Hunde, Meerschweinchen und Wellensittiche.
Bear Heart, ein sehr weiser Indianermann aus dem Stamm der Muskogee hat dazu geschrieben:
Einem Menschen, der viel Liebe gibt, wenden sich auch die Tiere zu; selbst die Blumen scheinen ihm zu folgen, wenn er an ihnen vorübergeht, sie scheinen seine Liebe zu erkennen und zu erwidern.
Ich war 11 Jahre alt, als das Wellimädchen Hansi in mein Leben kam. Sie war ein kleines gefiedertes Wunder. Wunderhübsch war sie, grün und gelb, mit großen schwarzen Punkten als Lätzchen und sehr dunklen Augen. Es war buchstäblich Liebe auf den ersten Blick. Wir haben Stunden um Stunden zusammen verbracht, sie hat mit mir Kuchen gebacken, gelesen, Abendbrot gegessen, Hausaufgaben gemacht. Ich habe immer noch die Schulhefte, in denen sie sich mit kleinen Schnabelbeiß-Spuren verewigt hat.
Ich hatte bis dahin noch nie so tief geliebt.
Meine kleine Hansi ist 14 Jahre alt geworden. Sie hat mich in sehr schweren Jahren begleitet, ich konnte mich immer auf sie verlassen. Sie wurde sehr krank und es gab keinen anderen Weg, als sie gehen lassen zu müssen.
Dieser Verlust war sehr schmerzlich, aber getragen von dem Wissen, dass sie ein schönes und erfülltes Leben mit mir hatte – und ich wunderbare Jahre mit ihr.
Wie ist das bei dir? Hattest du auch so einen kleinen besonderen Liebling? Wie war ihr/sein Name? Denkst du noch an diese Zeit zurück? Bist du auch dankbar für die gemeinsame Zeit?
Einen Verlust zu erleiden heißt immer auch loslassen lernen. Jedes Leben ist von Verlusten geprägt. Schulwechsel, Jobwechsel, das Ende einer Freundschaft oder einer großen Liebe – diese Liste kann man endlos fortsetzen. Aber immer ist der Schmerz am größten, je mehr wir uns eingelassen haben, je tiefer die Liebe, umso größer der Schmerz, wenn wir Abschied nehmen müssen.
Man würde denken, dass es mit der Zeit leichter wird, dass jeder Verlust uns ein bisschen abstumpfen lässt und es vielleicht weniger weht tut. Das mag in Einzelfällen stimmen, aber nach meiner Erfahrung bleibt es schwer.
Loslassen lernen empfinde ich als eine große Kompetenz, ein sehr wichtiger Teil, um resilient zu bleiben und weiterzugehen in diesem Leben. Kann man es denn lernen?
Ich würde behaupten, man muss es sogar.
Die große Schwester des Loslassens ist die Akzeptanz. Große Weisheitslehrer predigen uns seit Tausenden von Jahren: Das Leid der Menschen entsteht dadurch, dass sie sich dem entgegenstellen, was ist. Widerstand gegenüber dem, was ist, verursacht also Leid.
Wissen tun wir das alle. Was bedeutet es aber ganz konkret, im Trauerprozess loszulassen?
Dazu erzähle ich dir meine Geschichte weiter:
Vor einigen Jahren habe ich beschlossen, wieder kleine gefiederte Wunder in meine Familie mit aufzunehmen. Zuerst waren es drei, dann waren es fünf, irgendwann haben zu unserer Vogelfamilie acht Wellensittiche gezählt. Unglücklicherweise haben wir uns durch einen Kauf in Baumarkt (sie haben mir so leid getan, also habe ich alle vier kurzerhand mitgenommen…) ein unheilbares Virus eingeschleppt. Bei dieser Krankheit wachsen ausgefallene Federn nicht mehr oder verkrüppelt nach, manchmal juckt das furchtbar doll, manchmal bricht es aus, oftmals auch nicht.
Das erste der Vögelchen, Cassie, ist schon nach ein paar Tagen gestorben, Limetti war die zweite, bald folgte ihr Partner Kiwi. Parsi und die kleine Klausi waren ein Paar, als wir Parsi gehen lassen mussten, ist Klausilinchen auch bald darauf verstorben. Siechtum und Tod waren bei uns eingezogen. Dazu kamen noch die „normalen“ Tode: Altersschwäche beim kleinen Susomil, ein kirschgroßer Tumor bei Cocobella. Der kleine Flöke war nur ganz kurz bei uns, als auch ihn ein Tumor niedergestreckt hat.
So sind uns innerhalb von zwei Jahren insgesamt acht Vogelfamilienmitglieder weggestorben. Ich wusste bis zu dem Zeitpunkt nicht, was man als Mensch aushalten kann, mit wie viel Leid und Schmerz man klarkommen kann.
Jeder einzelne Verlust war die Hölle. Ich musste also durch einen sehr langen, immer wieder erneuerten Trauerprozess. War es einfach? Nein, ganz entschieden nicht. Aber die Trauerarbeit hat sich gelohnt. Jede Träne, jede wache Nacht, jeder Schmerz hat mir gezeigt, dass es geht – akzeptieren und loslassen ist erlernbar. Weil es keine Wahl gibt, wenn man weiterleben möchte und irgendwann wieder Freude und Glück spüren möchte, muss man da buchstäblich durch.
Durch den Schmerz hindurch, durch die Tränen hindurch, durch die Wut, durch die Schuldgefühle, durch alle Emotionen, die von uns Besitz ergreifen. Ich habe mich wirklich durch die Trauer gearbeitet.
Bei mir gab es nach jedem Tod einen Punkt, an dem ich mich dem Schmerz vollkommen hingegeben habe. Radikale Akzeptanz nennt man das. Das und die tiefe Dankbarkeit für die wunderbare Zeit zusammen mit meinen gefiederten Lieblingen hat mir geholfen.
Gerade fliegen die Federmäuse zu ihrem Abendspaziergang aus, hinter mir wird gequatscht, geschäkert, gefuttert und geliebt.
Ich weiß, es wird wieder Verluste geben, es wird wieder Schmerz und Trauer geben. Aber nun weiß ich, wie es geht.
Bucay schreibt in seinem Buch der Trauer:
Trauerarbeit bedeutet also, sich der Leere zu stellen, die der Verlust dessen, was nicht mehr ist, hinterlassen hat, seine Bedeutung zu ermessen und durch den Schmerz und die Enttäuschung zu gehen, die diese Abwesenheit mit sich bringt.
Hier kannst du mehr über mich und meine Arbeit erfahren.
Gerne bin ich deine Begleitung wenn du deinen Liebling verloren hast, du vor lauter Schmerz keinen klaren Gedanken fassen kannst. Oder es schon ein Weilchen her ist und du immer noch sehr traurig bist und Wege aus dem Schmerz finden möchtest.