Wir alle müssen sterben. Dieselbe Kraft, die uns wachsen lässt, lässt uns auch verwelken.
Das schreibt P. Todor Sandahl in ihrem Buch „Das Leben ist ein langer Fluss.“
Und weiter heißt es da:
Wenn wir lange genug leben, verlassen uns alle, die wir lieben, und wenn wir nicht lange genug leben, verlassen wir sie. So ist das, jetzt und für alle Zeit.
Nun ist es also geschehen – dein Liebling ist auf dem Weg über die Regenbogenbrücke. Vielleicht hattest du Zeit, um dich zu verabschieden, vielleicht musste alles ganz schnell gehen. Es ist auch möglich, dass am Morgen noch alles okay war und Abends ist dein Liebling tot. Du bist unfassbar traurig und hast eigentlich gar keine Worte dafür?
Oder du möchtest ununterbrochen reden, dich ablenken?
Du möchtest allein sein, möchtest in Ruhe weinen. Oder vielleicht möchtest du dich in die Menge stürzen, dich bis zur Besinnungslosigkeit einem Rausch hingeben, um einfach gar nichts fühlen zu müssen?
All das kann passieren und all das ist völlig normal. Du bist in einem absoluten Ausnahmezustand. Dein KörperGeistSeele oder wie auch immer du die Einheit, die du bist, nennen magst, befindet sich in einer Art Schockzustand.
Das Wichtigste, das du dir bewusst machen solltest, ist, dass es an dieser Stelle kein Richtig oder Falsch gibt.
Dein Verlust ist sehr individuell. So individuell wie die Zeit, die ihr zusammen hattet, so persönlich wie jede andere Beziehung, die du in deinem Leben hattest oder noch hast.
So, wie es dir jetzt geht, solltest du wissen: Du musst gar nichts, wirklich nichts! Du darfst weinen, du darfst schreien, du darfst Gegenstände durch die Wohnung werfen (solange du niemanden dabei verletzt)!
Als ich den achten Federball innerhalb von zwei Jahren verloren habe, habe ich eine wirklich sehr hübsche Vase mit lauter Murmeln laut schreiend und polternd in den Flur geschmissen – die Vase ist in tausend Scherben zersprungen und Murmeln habe ich noch Wochen danach aus verschiedenen Schuhen geholt…
Du kannst essen was du willst, du kannst literweise Kaffee oder Tee trinken, du darfst Unmengen an Schokolade verdrücken!
Prüfe so gut es geht, wer in deinem nahen Umfeld Tiere als ebenbürtig sehen kann. Nur diese Personen können wirklich nachvollziehen, was du durchlebst.
Schaue und höre genau hin, welche Menschen, die du in deine Trauer einweihen möchtest, wirklich fühlen können, was du durchmachst. Denn nichts hilft dir weniger, als ein Gegenüber, das dir sagt:
„Es war doch nur ein Vogel…“ oder „Das wird schon wieder…“
Sprich mit den Menschen, die dich verstehen über dein Erleben.
Sprich über das Geschehene, immer und immer wieder. Das hilft dir, die Ereignisse zu verarbeiten und sie einzuordnen. Du, dein Gehirn, dein ganzer Körper braucht einige Zeit, um zu verstehen, was passiert ist.
Die Neurowissenschaft hat festgestellt, dass die Vorgänge in deinem Gehirn nachweislich Zeit brauchen, um das Geschehene zu verarbeiten. Das Gehirn braucht Zeit, um zu verstehen, dass die täglichen Abläufe nicht mehr so stattfinden und neue Bahnen gelegt werden müssen – das nennt man Neuroplasitizität.
Durch die bewusste Beschäftigung mit deinem Verlust und das Sprechen darüber kommen nach und nach neue Wege und Bahnen zustande.
Was ist wichtig zu wissen, wenn wir einen großen Verlust erleiden?
Jorge Bucay schreibt in seinem großartigen Buch der Trauer, dass unser aller Leben in vier Wege zu unterteilen ist:
- Der Weg der Selbstabhängigkeit
- Der Weg der Begegnung
- Der Weg der Tränen und
- Der Weg des Glücks.
Wie du dir bereits denken kannst, nennt er den Prozess der Trauer den Weg der Tränen.
Seine Trauer zuzulassen und seinen Tränen freien Lauf zu lassen ist tatsächlich ein sehr wichtiger Schritt auf diesem Weg.
Ich kann mich gut erinnern, als ich mir das erste Mal erlaubt habe, nicht versteckt und alleine in meinem Zimmer zu weinen, sondern den Tränen in aller Öffentlichkeit freien Lauf zu lassen. Die Reaktionen darauf waren natürlich gemischt – von entsetzten Gesichtern bis zu sanftem Lächeln war alles dabei. Aber um die Reaktionen geht es hier nicht, sondern um das, was es mit mir gemacht hat. Es war eine kleine Revolution für mich, nicht mehr zu verbergen, was ich fühle. Nämlich tiefen und unermesslichen Schmerz.
Mir ist klar, dass es nicht jedem Trauernden möglich ist, draußen und unter Menschen zu weinen. Und das muss auch gar nicht sein!
Wichtig ist, dass es passieren darf. Dass du zu diesen starken Gefühlen und Gedanken, die unweigerlich in dir sind, stehen darfst!
Bucay hat eine ganze Liste von Emotionen und Attributen, die er in seinem Buch der Trauer aufzählt:
Ohnmacht, Verzweiflung, Endgültigkeit, Selbstvorwürfe, Erschütterung, Wut, Leid, Angst, Verlassensein, innere Unruhe, Wehmut…um nur einige zu nennen.
Finde einen Weg, dich diesen Gefühlen und Gedanken zu stellen und sie zuzulassen.
Wenn du zum Beispiel von 9 bis 17 Uhr arbeiten musst, dann nimm dir beispielsweise vor, von 18 bis 19 zu trauern. Das hat zwei Vorteile: Du weißt den ganzen Tag über, dass der Schmerz später am Tag sein darf und du kannst deine über den Tag verteilte Trauer sozusagen „vertrösten“ – wenn es dir gelingt. Was nicht sein muss, denn hier gilt: Es ist deine Trauer, es ist dein Weg der Tränen und du gehst ihn so, wie er FÜR DICH richtig ist.
Finde heraus, welcher Weg der Richtige für dich ist.
Hier kannst du weiterlesen.
Halte Zwiesprache mit dir und deinem Inneren, höre genau hin. Was fühlt sich richtig an, was macht es dir schwerer? Spüre hier ganz besonders in deinen Körper hinein, er ist ein wichtiger Botschaft – besonders in so schweren Zeiten.
Da Trauern ein Prozess ist, kann es ein Weilchen dauern, bis du es herausfindest, aber gerade der Weg zu diesem Herausfinden ist ein wichtiger Teil davon.
Zu diesem Zweck hat sich bei vielen Menschen ein Tagebuch bewährt oder einfach ein Notizblock, in den du deine Gedanken und Reaktionen eintragen kannst. Finde Worte für das, was in deinem Inneren vor sich geht, wenn du den Schmerz des Verlustes durchlebst.
Wenn du nicht schreiben magst, kannst du auch zeichnen oder malen oder eine Collage basteln.
Du kannst dir eine bestimmte Tages- oder Nachtzeit dafür vornehmen oder ganz spontan deinem Gefühl folgen.
Wenn du auch zu den Menschen gehörst, die in der Kindheit und Jugend ein tierisches Familienmitglied verloren haben, ist es vielleicht hilfreich, wenn du dir das Erlebnis wieder in Erinnerung rufen kannst.
Stelle dir folgende Fragen dazu:
Wie war das damals?
Was habe ich gefühlt?
Konnte ich diese Gefühle ausleben, durften sie sein?
Wer hat mich unterstützt?
Was hat mir geholfen?
Nimm dir eine Auszeit, wenn es geht
Versuche, ein paar Tage nicht funktionieren zu müssen.
Umgib dich mit Menschen, die dich verstehen und die deinen Schmerz aushalten können.
Vertraue dir selbst und deinen Bedürfnissen: Leg dich ins Bett, wenn dir danach ist.
Geh ins Kino, wenn du möchtest, schotte dich ab, wenn dir das gut tut….
Versuche, dir deiner Bedürfnisse bewusst zu werden und gib ihnen nach.
In deiner jetzigen Situation darfst du alles tun, alles sein und nichts müssen.
Wenn du merkst, das alles hilft dir nicht, sondern bewirkt sogar das Gegenteil:
Das ist völlig in Ordnung! Das hier sind nur Hinweise und Ideen, die sich bewährt haben, das muss aber nicht heißen, dass du es genauso machen musst.
Höre einfach auf dich und folge deinem Bauchgefühl. Deine innere Weisheit kann dir den Weg weisen.
Mach dir aber auch bewusst, dass ein zu langes Verdrängen deiner Trauer nicht gesund ist. Wenn du sie vergräbst und nicht zulässt, wird sie wieder kommen. Vielleicht tarnt sie sich dann als Depression oder als Erschöpfungssyndrom. Es kann auch sein, dass du wie betäubt bist und monatelang funktionierst. Irgendwann wird aber der Zeitpunkt kommen, an dem du deine Trauer mit all den scheinbar unangenehmen Gefühlen verarbeiten musst.
William Shakespeare schrieb dazu:
Gehemmter Schmerz, wie ein verschlossner Ofen, verbrennt zu Asche die verschlossne Brust.
Gerne bin ich deine Begleitung auf deinem Weg der Tränen. Ich bin für dich da, gemeinsam finden wir deinen individuellen Weg mit deinem großen Verlust umzugehen.
Hier kannst du mehr über mich und meine Arbeit erfahren.